Kurz vor Weihnachten und kurz vor Ostern feierten Dekan Gabriel und Priester Wilson mit uns jeweils einen Abend der Barmherzigkeit in der Pfarrkirche in St. Jodok. Abend der Barmherzigkeit – das bedeutet, wir feiern zuerst gemeinsam die Hl. Messe, und dann besteht während der Andacht vor dem Allerheiligsten für alle die Möglichkeit, bei Gabriel oder Wilson die Beichte abzulegen, also das Sakrament der Versöhnung zu empfangen.
Am Ende der österlichen Bußzeit bildete der Abend der Barmherzigkeit gleichzeitig den Abschluss des Weges der Versöhnung, und wir fühlten uns anhand von Gabriels lebhaften Darstellungen in den Ausgang der Geschichte von Josef und seiner Familie hinein:
Wie mag Josefs Brüdern wohl zumute sein, als sie aufbrechen, um ihren Vater Jakob und ihre ganze restliche Familie nach Ägypten zu holen? Denn das bedeutet, ihrem Vater gestehen zu müssen, dass sie ihn jahrelang belogen haben. Doch nicht nur die Brüder haben sich durch Josefs bedingungslose Vergebung zu ihrem Besseren verändert, auch Jakobs Herz hat sich gewandelt. Er macht ihnen keine Vorwürfe, sondern folgt ihnen, um seinen Sohn Josef wiederzusehen, auch wenn er noch nicht zu glauben wagt, dass dieser wirklich noch am Leben sein soll. In Ägypten gibt es ein bewegendes Wiedersehen mit seinem geliebten Sohn, die Familie ist wieder vereint, und weitere Etappen auf dem Weg der Versöhnung sind bewältigt. Die Verfehlungen der Vergangenheit beginnen sich Stück für Stück zu lösen, sodass wirkliche Versöhnung möglich wird. Vor seinem Tod spendet Jakob entgegen der Tradition allen seinen Söhnen den Segen, worin sich zeigt, dass er sie nun endlich als gleichwertig zu betrachten gelernt hat und keinen von ihnen mehr dem anderen vorzieht. Zudem beweisen die Brüder bei Jakobs Beerdigung eine nie gekannte Einheit, die auch Grenzerfahrungen aushält. Doch nun, wo die schützende Hand des Vaters nicht mehr über sie wacht, plagen sie Zweifel, ob die Vergebung, die Josef ihnen gewährt hat, weiterhin Gültigkeit hat. Also bitten sie ihn zum ersten Mal um Vergebung, und die Erleichterung ist groß, als Josef diese außer Frage stellt. Josefs innige Beziehung mit Gott lässt ihn Versöhnung leben. Somit hat der Weg der Versöhnung für Josef und seine Familie seine Vollendung gefunden.
Versöhnung ist ein Weg, den Menschen miteinander zu beschreiten haben und der sich auf unterschiedlichen Ebenen manchmal durch ein ganzes Leben zieht. Der Glaube an Gottes wirksame Gegenwart, die alles Bruchstückhafte letztlich zur Vollendung führt, ermöglicht es, eigene Schuld einzugestehen, um Vergebung zu bitten, Vergebung zu erfahren und Vergebung zu gewähren, auch wenn Schuldeingeständnisse noch ausstehen – das ist die Barmherzigkeit Gottes. Nehmen wir Gabriels Einladung an: Lassen wir uns ein auf diese unendliche Liebe!
Begleitet wurden diese beiden Abende voller Barmherzigkeit vom OK-Chörli aus Obernberg, welches sowohl bei den beiden Hl. Messen als auch während der Beichtmöglichkeiten für musikalische Umrahmung sorgen durfte.
Wir danken Dekan Gabriel und Priester Wilson für das schöne Angebot, auf diese Weise Gottes große Barmherzigkeit in den Fastenzeiten vor Weihnachten und Ostern erfahren zu dürfen!
Text: Stefanie Strickner, Bilder: Martina Lanthaler, Julia Jenewein